"Mein Knie tut nach dem Training weh." Kommt dir diese Aussage von deinem Kind bekannt vor? Diese oder ähnliche Aussagen hören wir oft von sportlich aktiven
Jugendlichen. Dahinter kann ein sogenannter Morbus Osgood-Schlatter stecken – eine Reizung des Sehnenansatzes der Kniescheibe am Schienbein (Tuberositas tibiae).
In der physiotherapeutischen Praxis begegnen wir häufig Jugendlichen mit Beschwerden, die nicht durch akute Verletzungen, sondern durch wachstumsbedingte Überlastungen entstehen. Sport ist ja bekanntlich gesund – gerade für Kinder und Jugendliche. Bewegung fördert Ausdauer, Koordination, Kraft und nicht zuletzt die Freude an der eigenen Leistungsfähigkeit. Doch der Körper befindet sich im Wachstum, und das bringt besondere Herausforderungen mit sich: Gelenke, Knochen und Muskeln entwickeln sich nicht immer im gleichen Tempo. Gerade bei intensiver sportlicher Betätigung kann es deshalb zu Problemen kommen.
Morbus Osgood-Schlatter ist eine wachstumsbedingte, nicht-traumatische Reizung des Sehnenansatzes der Kniescheibe am Schienbein, die vor allem bei sportlich aktiven Jugendlichen auftritt.
Was passiert bei Morbus Osgood Schlatter?
Bei Morbus Osgood Schlatter passiert folgendes: Während des Wachstums ist der Ansatzpunkt der Patellarsehne noch nicht vollständig verknöchert und daher
empfindlicher. Bei intensiver Beanspruchung, insbesondere durch wiederholte, explosive Bewegungen, kommt es zu Mikrorissen und Entzündungen an dieser Stelle. Im
Extremfall kann sich dort sogar ein knöcherner Vorsprung bilden. Wichtig ist: Es handelt sich nicht um eine Verletzung durch ein einzelnes Trauma, sondern um
eine chronische Überlastungsreaktion, die sich schleichend entwickelt.
Morbus Osgood Schlatter tritt besonders häufig bei Sportarten wie Fußball, Basketball, Handball, Leichtathletik, Turnen oder American Football auf.
Diese Sportarten enthalten typische Bewegungsmuster, die die Patellarsehne besonders beanspruchen:
• Schnelle Sprints
• Häufige Richtungswechsel (Stop-and-Go)
• Kraftvolle Sprünge und harte Landungen
• Intensive Beugung und Streckung im Kniegelenk
• Kraftvolle Kontraktionen des Quadrizeps
Diese wiederkehrenden Belastungen führen zu Zugkräften auf den noch weichen Sehnenansatz. Kommt hinzu, dass der Oberschenkelknochen in dieser Lebensphase oft
schneller wächst als die Muskulatur nachkommt, steigt die Spannung auf das Gewebe weiter an.
Kurz gesagt: Wiederholte Belastung + unreife Wachstumsfuge = erhöhtes Risiko für Osgood-Schlatter
Zusätzlich zu den oben genannten Faktoren spielt die Dehnfähigkeit der Oberschenkelmuskulatur bei Morbus Osgood Schlatter eine wichtige Rolle: Ist der
Quadrizeps verkürzt oder verspannt, wirkt er mit noch größerer Zugkraft auf die Ansatzstelle an der Tuberositas tibiae. Deshalb ist eine Verbesserung der
Muskelelastizität durch gezielte Dehnübungen ein zentraler Baustein jeder präventiven und therapeutischen Maßnahme.
Für Morbus Osgood Schlatter typische Symptome sind:
• Schmerzen direkt unterhalb der Kniescheibe, typischerweise auf der Vorderseite des Schienbeins
• Druckempfindlichkeit und mögliche Schwellung an der Schienbeinspitze (Tuberositas tibiae)
• Verstärkte Beschwerden nach sportlicher Belastung, insbesondere nach Sprüngen oder schnellen Richtungswechseln
• Schmerzen beim Hinknien, Anlaufen oder Landen
• Mögliche Einschränkung der Beweglichkeit durch Schmerzhemmung
• Manchmal tastbarer, harter Knoten unterhalb der Kniescheibe
• In fortgeschrittenen Fällen: sichtbare Verdickung oder Knochenausziehung
Ja, Morbus Osgood-Schlatter ist in der Regel vollständig heilbar. Es handelt sich um eine vorübergehende, wachstumsbedingte Reizung, die sich mit dem Abschluss des
Knochenwachstums meist von selbst zurückbildet. Entscheidend ist, den Verlauf gut zu begleiten und mögliche Fehlbelastungen oder Chronifizierungen zu vermeiden. Mit
gezielter Therapie und individuell angepasster Belastung lassen sich die Beschwerden deutlich lindern und langfristige Einschränkungen verhindern.
Die Beschwerden treten bei Morbus Osgood Schlatter typischerweise zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr auf und können sich über Wochen bis Monate erstrecken. In
manchen Fällen dauert der Verlauf 6 bis 18 Monate.
Die gute Nachricht: In den allermeisten Fällen verschwinden die Symptome vollständig, sobald das Knochenwachstum abgeschlossen ist. Wichtig ist jedoch, die Phase der Beschwerden gut zu begleiten, um chronische Verläufe oder Bewegungseinschränkungen zu vermeiden.
In den meisten Fällen heilt Morbus Osgood Schlatter vollständig aus. Nur bei ständiger Überlastung und fehlender Behandlung können seltene Folgezustände wie knöcherne
Vorsprünge bestehen bleiben – diese sind aber meist nicht funktionell einschränkend.
In vielen Fällen: Ja. Eine vollständige Sportpause ist nur in akuten Schmerzphasen notwendig. Wichtig ist eine individuelle Belastungsanpassung. Ziel ist es, nicht
aufzuhören, sondern auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt zu trainieren.
Das bedeutet:
• Temporäre Reduktion intensiver, reizender Übungen
• Fokus auf Bewegungsqualität statt Leistung
• Ersatztraining in Form von Ausgleichsbewegungen oder nicht belastenden
Sportarten (z. B. Schwimmen, Radfahren)
• Regelmäßige physiotherapeutische Betreuung
Mit einem guten Management kann die Sportkarriere sicher und ohne langfristige Einschränkungen weiterlaufen.
Falls du den Verdacht hast, dass dein Kind unter Morbus Osgood Schlatter leidet, kannst du folgendes tun:
• Nicht ignorieren! Frühzeitig handeln, bevor aus einer Reizung eine chronische Problematik entsteht.
• Sportliche Belastung beobachten: Wann treten die Schmerzen auf? Nach dem Training? Beim Hüpfen?
• Termin bei Arzt/Ärztin sowie zur Physiotherapie vereinbaren
• Keine Selbstdiagnose, sondern gezielte Befundung
In der Physiotherapie erfolgt eine differenzierte Analyse des Bewegungsverhaltens, Muskelstatus, Koordination und Schmerzverlauf. Ziel ist eine individuelle
Trainingsstrategie mit realistischem Zeitplan. In unserer Praxis haben wir dazu ein auf Knieprobleme bei Jugendlichen spezialisiertes Therapie-Team.
Nicht jeder Knieschmerz bei Jugendlichen ist Morbus Osgood-Schlatter. Diese Frage lässt sich nur durch eine gezielte Untersuchung beantworten. Eine ärztliche und
physiotherapeutische Abklärung ist wichtig, denn es gibt auch andere Ursachen für ähnliche Knieschmerzen. Folgende Diagnosen können ähnliche Beschwerden
verursachen:
• Patellaspitzensyndrom ("Jumper's knee")
• Morbus Sinding-Larsen-Johansson (Reizung am unteren Pol der Kniescheibe)
• Meniskusprobleme
• Schienbeinkantensyndrom („Shin splints“)
• Ermüdungsbruch
Deshalb ist eine fachliche Abklärung entscheidend, um die passende Therapie zu wählen.
Gegen Morbus Osgood Schlatter haben sich folgende Maßnahmen bewährt:
Belastungsmanagement, begleitende Physiotherapie und medizinische Trainingstherapie, sowie die Förderung von Selbstmanagement.
Nach einer anfänglichen Belastungsreduktion wird die Belastung stufenweise gesteigert
– individuell angepasst. Ziel ist es, schmerzfrei zum gewohnten Sportniveau zurückzukehren. Dies kann über anfängliches leichtes Gehen/Radfahren über mehrere
Belastungsstufen hin zu langsamen Laufen, zu Springen, zu Laufen mit hoher Geschwindigkeit und Richtungswechseln gehen, bis schlussendlich die Teilnahme am
Training und schließlich auch am Wettkampf wieder möglich sind.
Eine typische physiotherapeutische Behandlung bei Morbus Osgood-Schlatter ist stets individuell und altersgerecht aufgebaut. Sie beginnt mit einer genauen Befundung und
Analyse der sportlichen Belastung sowie des muskulären und motorischen Status.
Anschließend wird ein Therapieplan erstellt, der folgende Elemente enthalten kann:
• Aufklärung & Information: Was passiert im Körper? Was bedeutet die Diagnose konkret für den Sportalltag?
• Aktive Schmerzreduktion: z. B. durch isometrische Übungen, gezielte Mobilisation und gegebenenfalls unterstützende Maßnahmen wie Kühlen oder Tape
• Krafttraining: um die Belastung am Sehnenansatz besser zu kontrollieren
• Beweglichkeitstraining: v. a. Dehnübungen für die Oberschenkelvorderseite und Hüftbeuger
• Sprung- und Landetraining: Verbesserung der Landequalität, Kontrolle der Beinachse
• Koordination und Reaktionsfähigkeit: z.B. mit instabilen Unterlagen oder spielerischen Übungen
• Trainingssteuerung: Belastungstagebuch, Einschätzungsskalen, Strategien zur Belastungsanpassung im Alltag
• Heimübungsprogramm: abgestimmt auf den Trainings- und Schulalltag des Kindes/Jugendlichen
Wichtig ist ein ganzheitlicher, schrittweiser Aufbau, der nicht nur auf Symptome reagiert, sondern langfristige Belastbarkeit und Körperkompetenz stärkt.
Selbstmanagement fördern. Ziel ist, dass Jugendliche ihre eigenen Belastungsgrenzen erkennen und Verantwortung für ihre Regeneration übernehmen.
Dazu zählen:
• Ausreichend Schlaf
• Gezielte Erholung
• Warm-up & Cool-down-Routinen
Morbus Osgood-Schlatter ist eine der häufigsten Wachstumsproblematiken im Jugendalter – und kein Grund zur Panik. Mit gezielter Aufklärung, angepasstem Training
und physiotherapeutischer Begleitung kann die Sportausübung sicher weitergeführt werden. Die Diagnose ist kein Karriereende - wichtig ist, die Beschwerden zu verstehen
und den Sport verantwortungsvoll anzupassen. Mit physiotherapeutischer Begleitung können sportliche Jugendliche lernen, frühzeitig auf Warnsignale zu achten, und trotzdem mit Freude und Leistung im Spiel zu bleiben.
Hast du Fragen oder möchtest du eine individuelle Beratung für dein Kind?
Wir nehmen uns Zeit für eine fundierte Befundung und ein sportartspezifisches Präventionskonzept.